1. Amalgam: Teil 3


1.2.5. Wirkungcharakter der Amalgame:

1.2.5.1. Quecksilber und Quecksilberverbindungen

Toxikologische Wirkungsweise: [ ----> s. 4.2.3.7 Quecksilbersalze (HSM) ]

Wie beim Blei beruht die Wirkung des Schwermetalls Hg auf einer Hemmung der Na(+)-K(+)-ATPase. Dieses Enzym regelt den osmotischen Druckausgleich in der Zelle durch aktiven Transport von Kalium- und Natriumionen, wobei es große Mengen an ATP verbraucht. Es ist verantwortlich für den hohen Kaliumgehalt von etwa 140-150 mM innerhalb der meisten Zellen gegenüber nur 4-5 mM in der Außenlösung, bzw. der geringen Natriumkonzentration von 10-15 mM innerhalb der Zellen gegenüber ca. 150 mM in der Außenlösung.
Folgende Gesamtstöchiometrie der Na(+)-K(+)-ATPase- Reaktion wurde an Erythrozyten bestimmt :

3 Na(+) (Zellinneres) + 2 K(+) (Aussen) + ATP <---[Na(+)-K(+)-ATPase]---> 3 Na(+) (Aussen) + 2 K(+) (Zellinneres) + ADP + P

(P = Phoshat)

Es werden 3 Natrium-Ionen vom Zellinneren nach außen transportiert, dagegen nur 2 Kalium-Ionen vom Außenmedium in das Zellinnere überführt. Dabei wird ein ATP-Molekül verbraucht.
Es handelt sich bei dieser Membranpumpe also um einen elektrogenen Transporter, bei dem drei positive Ionen die Zelle verlassen, während zwei eintreten. Neben dem elektrochemischen Potentialgradienten bildet sich ein osmotisch wirksamer Konzentrationsunterschied an Kationen aus. Der asymmetrische Transport des Enzyms kompensiert den durch das kolloidal gelöste Hämoglobin bedingten Wassereintrom und erlaubt damit die osmotische Regelung des Wassergehaltes in der Zelle. Der elektrochemische Potentialgradient ist für die elektrische Erregung der Nervenzellen verantwortlich und dient gleichzeitig als Triebkraft für sekundäre Transportprozesse, die an einen Na(+)-Gradienten gekoppelt sind, wie z.B. der Aminosaüretransport und der Glukosetransport im Darm. Die Zellen brauchen zur Aufrechterhaltung des Kalium-Natrium-Gradienten große Mengen an ATP. Aus der großen funktionellen Bedeutung der Na(+)-K(+)-ATPase wird deutlich, daß eine toxische Schädigung zu weitreichenden Folgen führen muß.

Speicherung:
Hg hat eine Affinität zu bestimmten Organen. Es reichert sich sich besonders an

Die Verweilzeit in den einzelnen Organen ist sehr unterschiedlich. Die Biologische Halbwertszeit reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Die bei weitem längste Biologische Halbwertszeit haben Schwermetalle wie Hg im Gehirn mit 13 - 28 Jahren. Der Grund für die lange Verweilzeit ist hier die sog. "Blut-Hirn-Schranke", der spezielle Zelltypus des Gehirns, der fast vollständig undurchlässig für hydrophile Fremdstoff-Moleküle ist. Die Hg-Kationen gelangen zwar in das Gehirn, werden dort aber an Eiweiß gebunden und können nicht mehr hinaus gelangen. Einmal in das reine Nervenzellmedium des Gehirns gelangt, kann das Hg wie oben beschrieben die elektrische Erregung der Nervenzellen durch Hemmung der Na(+)K(+)-ATPase stark irritieren.

Eine Herausleitung der Schwermetalle aus dem Gehirn durch eine entsprechende Entgiftungs-Therapie ist außerordentlich schwierig und bildet das eigentliche Problem der Amalgamvergiftung.

Eine gute Möglichkeit zur Entgiftung gewährleistet hier eine Therapie mit sog. Antoxidantien . Diese gelangen aber nicht in das Gehirn, sondern durch den Entgiftungsprozess in den antidot-zugänglichen Körperzellen entsteht ein so starker Konzentrationsgradient zwischen den vergifteten Gehirn-Zellen und den durch die Antoxidantien entgifteten übrigen Zellen des Körpers, daß die Blut-Hirn-Schranke überwunden werden kann und Hg-Ionen aus dem Gehirn heraus diffundieren können.

Als weitere stark schädigungsfähige Organe folgen Nieren und Hoden sowie das RES .

Die mögliche natürliche Ausscheidung von Schwermetallen und insbesondere Hg erfolgt bei Organen und den übrigen Körperzellen -außer den Gehirnzellen- über Stuhl, Speichel, Urin, Tränen und Schweiß.

Die normale Ausscheidungsrate von Hg über den Urin beträgt 5-10 mcg/24h. Bei >50 mcg/24h muß an eine Intoxifikation gedacht werden.

Hg ist sehr reaktiv gegenüber Halogenen, daher lösen fluorhaltige Zahnpasten viel Hg aus Amalgamen.

Biologische Halbwertszeit (ohne Antidotbehandlung):

Gehirn                             13 - 28 Jahre (mit Antidotbehandlung 6 Monate) 
Uebriges Gewebe bis 70 Tage
Blut ca. 90 Tage

Nur ein Teil des resorbierten Quecksilbers wird über Harn und Nieren ausgeschieden, der Rest geht in Depots, von denen das ZNS und das RES klinisch besonders relevant sind. Für die Hg-Depotbildungen an Zahnwurzeln und Kieferknochen sind nach Teherani und Till [30] die Liegedauer und Gewohnheiten des Patienten verantwortlich.

Depotbildungen:
Hg löst sich ständig in kleinsten Mengen durch Amalgamflickarbeiten und Kaubewegungen heraus. Diese Hg wird durch die Zahneigenbewegung in der Alveole des Zahnes bis an die Zahnwurzel und auch in das umgebende Knochengewebe hinaufgeschüttelt und reichert sich vorerst dort an. Das Hg ist in diesem Stadium der Depotbildung an Zahnwurzeln und Kieferknochen durch Blut- oder Harntests nicht nachweisbar - oder nur unter ganz bestimmten Vorausetzungen.

Depotbildungen werden erhöht bei:

Weiterhin gelangt das Hg dann aus diesen Depots entlang von Nervenbahnen in das Gehirn und reichert sich dort an. Hieraus wird auch das ZNS in Mitleidenschaft gezogen. Schließlich gelangt das Hg über den Hirnstamm in das Rückenmark und dann in das periphere Nervensystem, was evt. Schädigungen an Gelenken, Gefäß-Systemen und Engiftungsorganen bewirken kann. In diesem letzten Stadium ähnelt das Krankheitsbild einer chronischen Hg-Vergiftung.

Das Bild der chronischen Quecksilbervergiftung tritt erst nach einem sehr langen Zeitraum auf und ist schwer erkennbar, da die Erkrankung nur allmählich oder oft unbemerkt schleichend auftritt und nur im frühen Stadium zeitweise schmerzerzeugend ist. 

Ein möglicherweise unternommener Blut- oder Harntest mit niedrigen Werten an Hg oder anderen Schwermetallen ist kein Beweis für eine nicht vorhandene Vergiftung !! Er beweist lediglich, daß chronisch aufgenommene Schwermetalle nicht frei im Körper kursieren, sondern offenbar als Sondergut behandelt und in entsprechenden Depots abgelagert werden.

Erst ein sog. Mobilisationstest mit z.B. DMPS (2,3-Dimercaptopropyl-1-sulfonat) setzt die Schwermetalle aus den Depots frei und ermöglicht über eine nun vorgenommene Messung der durch den Chelatbildner aus den Depots freigesetzten Menge an Hg oder anderen Schwermetallen in Harn oder Blut eine Auskunft über den Grad der evt. Vergiftung.

Die Depotbildung läßt sich ferner rein qualitativ über Elektroakkupunktur-Störfelddiagnostik oder Terminalpunktdiagnostik nachweisen. Hg-Depots sind röntgenologisch unsichtbar.

Weitere Wirkungen des Quecksilbers:

Toxizität: Urinwerte:
 1 Amalgamfuellung (ohne Mobilisation)               40    mcg Hg/L
10 Amalgamfuellungen 400
nach Mobilisation durch DMPS bis zu 42000

Teratogenität:
Die häufigsten Mißbildungen durch Quecksilber beim Menschen sind Enzephalozele , Enzephalitis und Hydrozephalus . Die bedeutendste Kontaminationsquelle für das gestillte Kind stellt die Muttermilch dar. Dabei stützen sich die meisten Beobachtungen über die Hg-Toxizität an menschlichen Feten auf Vergiftungsfälle in der Minimata-Bucht oder im Irak.
"Bei den Nachkommen der Überlebenden von Minimata fanden sich fast durchweg eine verminderte Auffassungsgabe, Veränderungen im emotionalen Verhalten, erniedrigter IQ. Es wurde über 8 Fälle von Idiotie berichtet. Die Patienten wiesen kleine, symmtrisch atrophische Gehirne mit 2/3 reduziertem Gewicht, ausgedehnte Schäden an Neuronenzellen im Cerebrum, Cerebellum und Brüche in der normalen Zellarchitektur auf.
Die Neugeborenen zeigten nach normaler Geburt Lethargie, verspätete Bewegungen, Reizschwellenerhöhung und unkoordiniertes Saugen und Schlucken, z.T. Krämpfe. Viele Kinder blieben im Wachstum zurück. Bei allen waren neurologische Störungen nachweisbar." [9, III-3, S. 9]

Anmerkungen und Erfahrungen:

1.2.5.2. Symptome:

Allgemeines:
Die chronischen Vergiftungssymptome beginnen schleichend. Frühsymptome sind Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme, Mattigkeit, Kopfdruck, Gliederschmerzen, Neigung zu Durchfällen und vermehrter Speichelfluß.

Die unspezifischen Allgemeinsymptome können wochen-, monate- oder jahrelang bestehen, bevor weitere Vergiftungserscheinungen hinzukommen.

Frühzeitig, jedoch nur bei massiver Exposition und schlechter Mundhygiene treten auf:

Der Quecksilbertremor ist ein feinschlägiger Intentionstremor, wird also durch beabsichtigte Bewegungen verstärkt. In den Anfangsstadien lediglich feinschlägiges Zittern der Finger, der geschlossenen Augenlieder und der herausgestreckten Zunge. Er verläuft wellenförmig, steigert sich bei Aufregung und ebbt nach ein bis zweieinhalb Minuten wieder ab. Bei ausgeprägteren Formen wird das Zittern jeweils nach einigen Minuten durch ausfahrende Schüttelbewegungen unterbrochen.
Aufällig ist die Zitterschrift der Quecksilberkranken. Die Sprache ist stotternd und verwaschen.

Die voll entwickelte Form der chronischen Hg-Vergiftung tritt heute kaum noch auf. Häufiger wird ein asthenisch-vegetatives Syndrom beobachtet mit

M. Daunderer: "Der Hg-Vergiftete wird ängstlich und menschenscheu, er imponiert Laien als psychosomatisch krank, er begibt sich nicht spontan in ärztliche Behandlung, wenn er nicht von außen auf den schwierigen Pathomechanismus und die Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen wurde. Dies unterstreicht die Heimtücke dieser Vergiftung." [9,III-3, 10]

Zusammengefaßte Symptomatik der chronischen Quecksilbervergiftung (Leitsymptome Großbuchstaben):

ALLERGIE                                   Metallgeschmack
Allgemeine Schwaeche Mund-, Rachen-, Magenschmerzen
Asthma Mundschleimhaut kupferfarben
Aussprache verwaschen Mundzuckungen
Aufbrausen Nasennebenhoehlenentzuendung, eitrige
BAUCHSCHMERZEN Nervositaet
Blutarmut, hypochrome Nierenschaeden
Blauvioletter Saum an den Zahnhaelsen Psychose
Blutdruck, niedriger Reizbarkeit
Bronchitis Schildruesenueberfunktion
Depression Schlaflosigkeit
Durchfaelle (Colitis=Dickdarmentzuendung) Schnupfen, hartnaeckiger
Empfindungsstoerungen SCHWINDEL
ENERGIELOSIGKEIT Schreckhaftigkeit
Epilepsie Schuechternheit
Ermuedung Sehstoerungen
Froesteln Speichelfluss
Gehetztes Tempo Sprechen, stammelnd
Gelenkschmerzen Stimmungslabilitaet
Gewichtverlust Tetanie = neuromuskulaere Erregbarkeit
(Hyperventilations -)
Haarausfall Trigeminusneuralgie
Hautekzem Unentschlossenheit
Herzrythmusstoerungen Wahnvorstellungen
Infektanfaelligkeit Zahnfleischentzuendungen
KOPFSCHMERZEN (MIGRAENE) Zittern, feine
Leberschaeden - an Augenliedern
Lungenentzuendung - an der Zunge
Menschenscheu - verstaerkt bei beabsichtigter Bewegung
Merkfaehigkeit reduziert Zitterschrift



Laborchemisch: -erhoehtes Cholesterin
-erniedrigtes Serumeisen
-erhoehtes Immunoglobin

Symptomatik der einzelnen Metalle im Amalgam:
Die Metalle im Amalgam potenzieren sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Im einzelnen erzeugen sie folgende Symptome (Merkblatt Amalgamtest): Allergien:
Allergietests sind nur dann sinnvoll, wenn nicht nur die organischen Hg-.Verbindungen (Thiomerosal, Phenylquecksilberborat, Phenylquecksilberacetat und Phenylquecksilbernitrat) erfaßt werden, sondern auch die übrigen Komponenten der Amalgame: organisches Kupfer, Zink, Zinn, Silber; evt. Eisen, Nickel und Cadmium.

Ein negativer Hg-Test ist somit nicht ausreichend, um eine Amalgamallergie zu bestimmen!

Mit Eiweißen reagieren die Hg-Verbindungen als Haptene zu Vollantigenen, so daß hieraus Sensibilisierungen durch die Induktion von Antikörpern entstehen können. Mögliche allergische Reaktionen sind:

Eine mögliche Alternative zu Amalgamen scheint auch bei Allergikern nur hochwertiges Goldmaterial (>22 Karat) zu sein. Allerdings soll auch hier die Rate der Allergien bei 16 % liegen.

Spätfolgen:

Grenzwerte: Hg in Nahrungsmitteln

USA                     0,05 ppm
BRD 0,10 ppm

Trinkwasser: WHO-Wert (1975): 1 mcg/L

MAK-Wert: 0,10 mg/kg (0,01 ppm)
Hg-Dampf: 0,05 mg/cbm

Geruchsschwelle: 13 mg/cbm

Differentialdiagnose:



Amalgam: Teil 4

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Letzte Aktualisierung:  12/1995