4. Holzschutzmittel (HSM)

4.4: Insektizide (Teil 1): Einleitung / Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) 1


Gesamt-Inhaltsverzeichnis Insektizide:

Teil 1:
Teil 2:
Teil 3:
Teil 4:
Teil 5:


4.4.1 Einleitende Bemerkungen zu Insektiziden:



Die Bekämpfung tierischer Schaderreger gehört zu den unmwelt- und ernährungstoxikologisch problemhaftesten Methoden des Pflanzenschutzes.

Zu den Insektiziden gehöhren Verbindungsklassen, die in der Biossphähre persistent und biochemisch hochwirksam sind.


4.4.2 Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW):


4.4.2.0 Allgemeine Einführung zum Thema CKW:

Die Gruppe der chlorierten Kohlenwasserstoffe bildet den Beginn der Entwicklung synthetischer Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfungsmittel. Der bekannteste Vertreter dieser Substanzklasse ist das DDT ("Dichlordiphenyltrichlorethan"), dessen Anwendung in der BRD seit 1974 verboten ist.

CKW besitzen einige Eigenschaften, gegen die schwere Bedenken zu erheben sind:

Folgende Substanzen sind von toxikologischer Bedeutung und wurden oder werden als Insektizide angewendet:
______________________________________________________________________________________
Substanz LD(50) (Ratte, or.) NOEL ADI
[mg/kg] [mg/kg KG] [mg/kg KG/d]
______________________________________________________________________________________
-DDT 200-500 0,5 0,005
{2,2-Bis(p-chlorphenyl)-1,1,1-
trichlorethan}
-Lindan 150-230 1,0 0,01 (1977)
{gamma-1,2,3,4,5,6-Hexachlor-
cyclohexan}
-Methoxychlor 5000-6000 -- 0,10
{2,2-Bis(p-methoxychlor-phe-
nyl)-1,1,1 -trichlorethan}
-Aldrin 10-70 -- 0,0001
{1,2,3,4,10,10-Hexachlor-1,4,-
4a,5,8,8a-hexahydro-1,4-endo-
exo-5,8-dimethanonaphtalen}
-Dieldrin 40-100 0,01 0,0001
{1,2,3,4,10,10,-Hexachlor-6,7-
epoxi-1,4,4a,5,6,7,8,8a-octa-
hydro-endo -1,4-endo-1,4-exo-
5,8-dimethanonaphtalen}
-Endrin 7-40 -- 0,0002
(Stereoisomer des Dieldrin)
-Toxaphen 40-120 -- --
(Substanzgemisch aus chlorier-
tem Camphen)
-Chlordan 200-550 -- 0,001
-Heptachlor 90-135 0,05 0,0005
{1,4,5,6,8,8-Heptachlor-3a,4,-
7,-7a-tetrahydro-6,7-methano-
inden}
-Endosulfan 100 -- 0,0075
{6,7,8,9,10,10-Hexachlor-1,2,-
5a,-6,9,9a-hexahydro-6,9-methano-
2,-4,3-benzodioxathiepin-3-oxid}
_______________________________________________________________________________________

Die im Folgenden ausgewählten Verbindungen werden im Holzschutz am häufigsten verwendet:

4.4.2.1 Lindan:

Synonym: Gamma-HCH, HCH; systematischer Name: gamma - 1,2,3,4,5,6-Hexachlorcyclohexan

4.4.2.1.1 Allgemeines:
Als Lindan wird im engeren Sinne das auf 99 % gereinigte gamma-HCH bezeichnet, das nur noch geringe Anteile an anderen Isomeren (s.u.) enthält. Es ist das am häufigsten eingesetzte Mittel im Holzschutz. Dient auch häufig als Krätzemittel.

Fraß-, Kontakt- und Atmungsgift, das schon in geringsten Mengen toxisch auf Insekten wirkt. Die Speicherungstendenz ist etwas geringer als die von DDT, jedoch ist die Toxizität für Warmblüter höher.

Es gehört zu den persistenten CKW und zu den Ubiquisten. Es kommt im Boden in der Krume, in Oberflächengewässern, im Grundwasser (Nanogrammbereich), in der Luft von unbelasteten Gebieten (im Jahresmittel 0,8 ng/cbm) und in Nahrungsmitteln (mcg-Bereich in Fischen, ca. 0,07 mg/L in Milch) vor.

Seit 19.12.1980 ist in der BRD die Anwendung des Roh-HCH, das aus einem Isomerengemisch besteht, verboten. Nur das gamma-HCH hat ausgesprochen insektizide Eigenschaften, während die alpha- und beta-Isomeren diese Eigenschaft nicht besitzen, dafür aber krebsunterstützend wirken. Daher wird der wirksame Bestandteil (gamma-HCH) herausgefiltert. In der BRD sind allein 1982 250 000 L gamma-HCH ausgebracht worden. Die unbrauchbaren Isomeren werden auf Halden deponiert. Allein auf dem Werksgelände der Firma Merck sollen 100.000 t des Chemiemülls vergraben sein. Die Firma Boeringer in Hamburg stellte aus den Abfällen 2,4,5-T (2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure) her, wobei als Abfall 2,3,7,8-TCDD anfiel, was zur Schließung der Firma führte. gamma-Lindan darf jedoch weiterhin angewendet werden.

Am 10. Juli1976 ereignete sich in einer chemischen Fabrik im ICMESA-Werk (einer Genfer Kosmetikfirma von Givaudan, die wiederum eine Tochterfirma von Hoffmann-La-Roche ist) in Seveso (Italien) ein Betriebsunfall, bei dem ca. 60 kg 2,4,5-T (2,4,5-Trichlorphenoxyessigsaeure) mit einem Anteil von ca. 2 kg 2,3,7,8-TCDD ("Dioxin") in die Umgebung verdampften. Es mußten 75000 Tiere getötet werden und 200 Personen erlitten schwere Hautschäden.

HCH ist in Anteilen von 0,2 - 2,0 % in ca. 70 % der geprüften lösemittelhaltigen HSM enthalten. Die Langzeitgefärdung wird durch den Dioxinanteil bestimmt.

Lindan ist äußerst flüchtig und reichert sich in Lebensmitteln an. Ein Verseuchung aller im Raum befindlichen Gegenstände ist unvermeidlich. Aufnahme über die Atmung, den Magen und die Haut. Leichte Hautresorbierbarkeit. Starkes Nervengift. Der neurotoxische Mechanismus ist noch nicht genau aufgeklärt. Die Nerven werden bei geringen Konzentrationen überregbar, bei höheren Konzentrationen gelähmt.
Es gibt Hinweise, daß durch eine Affinität zu bestimmten Bestandteilen der Nervenbahnen das Verschließen der Na(+)-Poren verhindert wird und dadurch die Repolarisierung verhindert wird.
Die gentoxische Wirkung ist gering. Wahrscheilich ist Lindan kein komplettes Karcinogen, sondern ein Tumor-Promotor (d.h. die Zelle muß vorher schon erkrankt gewesen sein und wird zur Entartung angestossen).
Speicherung im Fettgewebe. Die Verteilung Blut : Leber : Gehirn : Fett beträgt 1 : 3 : 4 : 83. Metabolite werden hauptsächlich über den Harn ausgeschieden. Der Stoffwechsel ist kompliziert und wurde vor allem bei der Ratte studiert.

Wirkungen (Ratte):
-Enzymatische Hydroxylierung und Umwandlung in 2,4,6-Trichlorphenol
-Dehydrochlorierung zu Pentachlorcyclohexen
-Oxidative Dehydrierung zu Hexachlorcyclohexen
-Dechlorierung zu 3,4,5,6-Tetrachlorcyclohex-1-en
-Umwandlung in andere Chlorbenzole, Chlorphenole und Glutathionkonjugate, die als Mercaptur- säure im Harn ausgeschieden werden.

Zusammensetzung:

________________________________________________
Roh-HCH besteht aus:
alpha-HCH 65-70 %
beta-HCH 7-10 %
gamma-HCH 10- 18 %
delta-HCH 6-10 %
epsilon-HCH 1-2 %
außerdem Anteile von Dioxinen und Furanen;
________________________________________________
Die Toxizität bei langfristiger Aufnahme erwies sich im Tierversuch für beta-HCH als wesentlich höher als für alpha-HCH und dies wiederum geringfügig giftiger als Lindan

Toxizität (Warmblüter): beta-HCH >> alpha-HCH > gamma-HCH

4.4.2.1.2 Handelsnamen:
Aidol GS; -Holzbau 120, -Holzschutzgrund
Altari I, -PJ
Avenarol braun, -8209 farblos,
Fungol Holzschutzgrund
Gori 120, -120 Holzimprägnierung, -X-120 Holzimprägnierung, -vac..80
HV 8-Holzbockmittel
Impra HG Spezial, -Holzschutzgrund
Lignex Imprägniergrund
M & T Holzschutzmittel
Osmoleum HG extra
Sadotect
Wolmanol Fertigbau, -Fertigbau 55, -goldgelb, -Holzbau
Wolvac
WTA GG 292, -GG 294, -GH 314
Xyladecor 300
Xylamon BV 350, -Combi B, -Combi N, -Hell-N, -Holzbau 100, -Holzbau 150, -Holzschutzgrund
Xylatect 100
4.4.2.1.3 Toxikologie:
Starkes Nervengift. Krampfanfälle schon bei 2 mg/kg KG beobachtet, 10 bis 20 mg/kg KG können lebensgefährllich sein. Letale Dosis 16 - 150 mg/kg. Lindan erzeugt mit Dosen über 40 mg/kg d bei Mäusen Lebertumore. Jeder Mensch weist eine Grundbelastung mit Lindan auf; eine chronische Belastung durch belastete Hölzer ist der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt.
4.4.2.1.4 Akute Vergiftungssymptome:
Übellkeit, Erbrechen, Unruhe und Krämpfe, Erregung des ZNS, Atemnot, Gleichgewichtsstörungen, überempfinlichkeit, Zittern, Zuckungen, Kraftlosigkeit, Lämungserscheinungen, Schweißausbrüche , Pupillenerweiterung, epileptische Krampfanfälle. Der Tod kann noch eine Woche später durch Schädigung wichtiger Gehirnzentren, vereint mit Kreislaufversagen und Lungenödem eintreten. Wichtiger sind ständige Belastungen durch geringe Dosen (chronische Belastung).
4.4.2.1.5 Chronische Vergiftungssymptome:
Ablagerung im Körperfett, den Nieren, im Nervensystem und im Gehirn. Leberverfettung, Schädigung und Absterben von Gefäßwänden in verschiedenen Organen,Hyperämie der Milz. Abmagerung, Degeneration der Herz- und Skelettmuskulatur, fettige Degeneration von Milz und Leber, Enzyminduktion (Anregung von Enzymen, die aus anderen Substanzen erst die eigentlich krebserregenden Schadstoffe produzieren) in der Leber
4.4.2.1.6 Physikalisch-chemische Eigenschaften:
Allgemeine Eigenschaften: Farb- und geruchlose Kristalle

rel. Molekülmasse: 290,85
Schmelzpunkt [ grad C]: 112,8
Siedepunkt [ grad C]: 323,4
Dampfdruck (bei 20 grad C) [hPa]: 1,9 x 10(-5)
Löslichkeit in Wasser (20 grad C) [g/L]: 7 x 10(-3); Benzol: 289; Aceton: 435

4.4.2.1.7 Grenzwerte:
Lindan:
1. MAK-Wert:
__________________________________________________________

 [mL/cbm]             [mg/cbm]                 Bemerkungen
__________________________________________________________
  
  --                  0,5 (UDSSR 0,05)         H

Spitzenbegrenzung: III
__________________________________________________________


2. BAT-Wert:
_____________________________________________________
Wert                 Untersuchungs-     Probennahme-
[mcg/L]              material           zeitpunkt
_____________________________________________________
20                    B                 b)
25                    P/S               b)
_____________________________________________________


3. ADI     0,0125 mg/kg d
4. MIK 4 mcg/cbm

5. Weitere Werte zur Beurteilung von bestehenden Belastungen in Haushalten:

_____________________________________________________________________________________
Grundbelastung unbelasteter Hausstaubproben: 0,7 mg/kg
leichte Belastung: 0,3 - 0,7 mg/kg
Giftquelle bei: > 3 mg/kg

Nachweis per EDTA im Blut: Grundbelastung: bis zu 0,03 mcg/L im EDTA-Blut Zusatzbelastung: > 0,05 mcg/L im EDTA-Blut Vergiftung: > 0,10 mcg/L im EDTA-Blut ______________________________________________________________________________________
4.4.2.1.8 Therapie (Anwendungbeschränkung):
- Nicht zur Anwendung bei Holz, das in direkten Kontakt mit Lebens- oder Futtermitteln kommen kann.
4.4.2.1.9 Literatur:
 [9] M. Daunderer: Umweltgifte; Kompendium der klinischen Toxikologie; Teil 3, Band 13. ecomed Verlagsgesellschaft, München 1990
[12] R. Machholz, H.J. Lewerenz (Hrsg.): Lebensmitteltoxikologie. Springer-Verlag, Berlin 1989
[14] Katalyse Umweltgruppe: Umweltlexikon. Kiepenheuer & Witsch-Verlag, Köln 1985

Insektizide: Teil 2

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Letzte Aktualisierung:  12/1995